Die fünfte Vaterunserbitte

Und vergib uns unsere Schuld………. 9.8.24

Um welche Schuld handelt es sich da? Als Katholiken bemühen wir uns doch, unsere Schuld in der Beichte zu bekennen und erhalten dann auch die Lossprechung.
Warum dann bei jedem Vaterunser immer wieder diese Vergebungsbitte? Um welche Art von Schuld soll es sich da handeln?

Einen Hinweis kann man bekommen, wenn man z.B. vor einer Beichte seine Ehefrau oder seinen Ehemann fragt, was man denn beichten solle. Welch überraschende Hinweise können da kommen! Und die Antwort heißt dann meist: „Ach, daran hätte ich nie gedacht!“

Also muß man daraus schließen, dass uns viele, vielleicht sogar die meisten Sünden nicht bewusst sind, und dass wir sie deswegen auch nicht in die Beichte einbringen. Das betrifft unser Verhältnis zu Gott wie auch zum Nächsten. Insofern ist die fünfte Vaterunserbitte bleibend aktuell und soll uns immer wieder an diesen dunklen Bereich in unserem Selbstverständnis erinnern.

Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern………. 9.8.24

Wiederum die Frage: Wer ist mir denn auf die Dauer etwas schuldig? Letztlich lassen sich doch die meisten strittigen Fragen klären. Oder doch nicht so ganz?

Oft bleibt nach einer Auseinandersetzung ein Rest von Enttäuschung oder gar Verbitterung, v.a., wenn man ungerecht behandelt wurde und sich nicht rechtfertigen konnte. Man wartet dann auf die Entschuldigung des Gegners; und wenn die nicht kommt, dann hat man das Gefühl, dass etwas abgeht, nämlich eine Bitte um Entschuldigung.

Mir kommt es so vor, als wäre das die von uns geforderte Alltagsform an Vergebung: Nicht ewig auf die offizielle Entschuldigung des Anderen warten, sondern vergeben , auch wenn es nur schrittweise geschehen kann. Das sind dann die „feurigen Kohlen“ auf dem Haupt des Anderen, die auf lange Sicht doch ihre Wirkung entfalten. Und wenn nicht? Dann jedenfalls, so empfiehlt der Psalmist, nie Rachegedanken hegen, sondern IHM das Ganze überlassen. „Empfiehl dem Herrn deinen Weg und vertrau ihm! Er wird es fügen.“ Ps 37, 5

Ökumene des Lächelns

Die Maskenpflicht verhindert bestimmt viele Infektionen, aber sie behindert auch das nach dem Blickkontakt wichtigste Signal für den Aufbau menschlicher Bindungen: das Lächeln. Die Augen reichen nicht aus, um Sympathie und Freundlichkeit auszudrücken; und es ist ein wichtiger Einschnitt in der Sozialentwicklung eines kleinen Säuglings, wenn er jemand anlächelt.

Allerdings kann man auch jemanden belächeln. Oft, wenn man ein bestimmtes Verhalten für das Alter oder den Anlass als nicht  adäquat erachtet. Und das geht schnell. Schnell ist man mit einem Vorurteil zur Stelle, zuerst nur gedanklich, dann aber zeigt es sich in der Mimik-

Mir ging es neulich so bei der Gebetsaktion „Deutschland betet gemeinsam“. Da wurden Repräsentanten der unterschiedlichen christlichen Kirchen in Deutschland gezeigt, und sie gaben ein kurzes Statement ab und beteten.

Und da wurde der rumänisch-orthodoxe Metropolit für Deutschland gezeigt, umrahmt von vielen prächtigen, bemalten Ostereiern im Hintergrund, und ich musste schmunzeln, ohne zu bedenken, welchen überragenden Stellenwert das Osterfest bei den Orthodoxen einnimmt und welche Symbolkraft das Ei hat, dessen Bemalung eine lange, hoch entwickelte Kultur aufweist. Aber ich habe es ein wenig belächelt. Es erschien mir ein bisschen kindlich. [Weiterlesen …]

Die Frau des Pilatus

Von Michael Hartl

Dieser Traum, den die Frau des Pilatus in der Nacht vor der Verurteilung Jesu hatte, war sicher geistgewirkt, denn er sollte ihrem Mann zur richtigen Entscheidung verhelfen. Was wäre passiert, wenn er ihrem Einspruch nachgegeben hätte? Hätten sich der Hohe Rat und die Schriftgelehrten anstecken lassen von der Umkehr des Prokurators? Hätten sie sich in ihrem Urteil erschüttern lassen? Hätte sich ganz Israel entschieden Jesus zugewandt? Oder hätten die jüdischen Führer tatsächlich an den Kaiser appelliert und wäre somit der Prozess in die höchste Instanz verlagert worden?

Welche Folgen es auch immer gehabt hätte, eines ist sicher: Sie hätte ihren Mann Pilatus vor dem schwersten Fehler seines Lebens bewahrt; und vielleicht wäre er sogar Christ geworden, wie auch sie selbst in der wunderbaren Erzählung, die uns Gertrud von le Fort hinterlassen hat mit dem Titel „Die Frau des Pilatus“, Herder-Verlag, ISBN3-7751-3496-4.

Wir können hier nur vermuten, eines aber fällt auf: Diese Frau spürt, was kommen wird, sie ahnt es voraus, sie reagiert.

Papst Johannes Paul II hat vom „Genius der Frau“ gesprochen. Genius ist kein geläufiges Wort bei uns, aber der verwandte Begriff „genial“ schon, oder auch „Genie“. Ein Genie ist jemand, dem etwas zufliegt, der sich gar nicht so stark anstrengen muss, um in einer Disziplin Großes zu erreichen, was eine außerordentliche natürliche Begabung voraussetzt. Die zugrundeliegende Persönlichkeitsmerkmal könnte man als Genius bezeichnen.

Somit wäre zu fragen: Was ist der Genius der Frau? [Weiterlesen …]

Petrus, der seinen Herrn und Meister dreimal verleugnet

Von Michael Hartl

Welche menschliche Dramatik liegt in diesen neun Versen (s. Lk 22, 54-62) verborgen!: Die Verleugnung des Petrus unter dem Druck der Umstehenden, sein Fluchen, sein Hinausstürzen, wobei der in den Blick Jesu hineinläuft. Er hätte diesem Blick ausweichen können, aus Scham, aus Verzweiflung über seine Schwäche und seine Lügen. Aber er hat sich diesem Blick ausgesetzt, ja er hat ihn aufgesaugt. Der Blick hat ihn durchbohrt, obwohl es ein ganz und gar barmherziger, aber vielleicht trauriger Blick war. Und er weinte bitterlich, wie zwei der Evangelisten berichten. Also, er weinte nicht nur, nein, es war ein Weinen, wie er es noch nie erlebt hatte, es erschütterte ihn total, es drehte sein Herz um, ihm, dem Anführer, der Jesus sagen will, was er zu tun hat und der sich dagegen verwahrt, er könne ihn jemals verleugnen.

Wenn man diese Stelle liest, denkt man doch sehr leicht: „Ich würde das nicht tun, Jesus verleugnen, noch dazu dreimal. Und ich würde auch nicht fluchen oder gar schwören.“ (Mk 14, 17). Ich würde mich vielleicht lautlos entfernen oder einfach sagen: „o.k., ich bin ihm gefolgt; aber man kann sich doch auch mal täuschen, oder?“

Wenn wir so denken, sind wir nicht in der Realität des Lebens, denn unter großem Druck verraten viele Menschen ihre vorher hoch gehaltenen Ideale. Warum sollte uns das nicht passieren? Sind wir Übermenschen, besser als Petrus? Nein, ehrlich gesagt, ich hätte wahrscheinlich ähnlich reagiert wie Petrus.

Aber das ist gar nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass wir uns dem Blick Jesu aussetzen, ihn ertragen, erlauben, dass er uns durchbohrt, wenn es sein muss. Dann geschieht die Bekehrung unseres Herzens, dann können die Tränen fließen, aber auch die Gnade einer neuen Beziehungsebene zum Herrn, so wie bei Petrus, der durch dieses Tal hindurchgehen musste, bevor ihm die Kirche anvertraut wurde.

Unsere Gefahr besteht, dass wir diese Konfrontation mit dem leidenden Herrn vermeiden.
Dass Adam und Eva von dem Baum der Erkenntnis gegessen hatten, wäre nicht so schlimm gewesen, wenn sie sich nicht versteckt, sondern sofort die Nähe Gottes gesucht und um Vergebung gebeten hätten. Dann hätten sie sicher das Paradies weiter bewohnen dürfen.

Also, Kopf hoch in dieser Fastenzeit: Wir sind keine Übermenschen und müssen es auch gar nicht sein. Wir sollen in jeder schwierigen Situation den Kontakt zum Herrn suchen und ihn bitten, er möge uns in diesen Umständen mit seinem Blick ansehen, dann wird es gut.

Euch allen vom Werk und denen, die es lesen, eine gesegnete Fasten- und Osterzeit!