Von Michael Hartl
Welche menschliche Dramatik liegt in diesen neun Versen (s. Lk 22, 54-62) verborgen!: Die Verleugnung des Petrus unter dem Druck der Umstehenden, sein Fluchen, sein Hinausstürzen, wobei der in den Blick Jesu hineinläuft. Er hätte diesem Blick ausweichen können, aus Scham, aus Verzweiflung über seine Schwäche und seine Lügen. Aber er hat sich diesem Blick ausgesetzt, ja er hat ihn aufgesaugt. Der Blick hat ihn durchbohrt, obwohl es ein ganz und gar barmherziger, aber vielleicht trauriger Blick war. Und er weinte bitterlich, wie zwei der Evangelisten berichten. Also, er weinte nicht nur, nein, es war ein Weinen, wie er es noch nie erlebt hatte, es erschütterte ihn total, es drehte sein Herz um, ihm, dem Anführer, der Jesus sagen will, was er zu tun hat und der sich dagegen verwahrt, er könne ihn jemals verleugnen.
Wenn man diese Stelle liest, denkt man doch sehr leicht: „Ich würde das nicht tun, Jesus verleugnen, noch dazu dreimal. Und ich würde auch nicht fluchen oder gar schwören.“ (Mk 14, 17). Ich würde mich vielleicht lautlos entfernen oder einfach sagen: „o.k., ich bin ihm gefolgt; aber man kann sich doch auch mal täuschen, oder?“
Wenn wir so denken, sind wir nicht in der Realität des Lebens, denn unter großem Druck verraten viele Menschen ihre vorher hoch gehaltenen Ideale. Warum sollte uns das nicht passieren? Sind wir Übermenschen, besser als Petrus? Nein, ehrlich gesagt, ich hätte wahrscheinlich ähnlich reagiert wie Petrus.
Aber das ist gar nicht das Entscheidende. Entscheidend ist, dass wir uns dem Blick Jesu aussetzen, ihn ertragen, erlauben, dass er uns durchbohrt, wenn es sein muss. Dann geschieht die Bekehrung unseres Herzens, dann können die Tränen fließen, aber auch die Gnade einer neuen Beziehungsebene zum Herrn, so wie bei Petrus, der durch dieses Tal hindurchgehen musste, bevor ihm die Kirche anvertraut wurde.
Unsere Gefahr besteht, dass wir diese Konfrontation mit dem leidenden Herrn vermeiden.
Dass Adam und Eva von dem Baum der Erkenntnis gegessen hatten, wäre nicht so schlimm gewesen, wenn sie sich nicht versteckt, sondern sofort die Nähe Gottes gesucht und um Vergebung gebeten hätten. Dann hätten sie sicher das Paradies weiter bewohnen dürfen.
Also, Kopf hoch in dieser Fastenzeit: Wir sind keine Übermenschen und müssen es auch gar nicht sein. Wir sollen in jeder schwierigen Situation den Kontakt zum Herrn suchen und ihn bitten, er möge uns in diesen Umständen mit seinem Blick ansehen, dann wird es gut.
Euch allen vom Werk und denen, die es lesen, eine gesegnete Fasten- und Osterzeit!